Anmerkung: In der Mythologie der Irokesenstämme gab es drei Gute Geister: die des Maises, der Bohne und des Kürbisses. Es waren Schwestern, die im gleichen Boden wuchsen und friedlich und einträchtig zusammenlebten. Die Indianer veranstalten Feste zu ihren Ehren und beteten zu ihnen als „zu unserem Leben, unseren Helfern“.
Vor langer Zeit machte ein Mann einen Jagdsausflug und zog allein in die Wälder. Als er eines Nachts auf einem Feld kampierte, wurde er durch Gesänge und ein Geräusch wie von einer dröhnenden Trommel wach. Er blickte sich um und als er Niemanden sah, beschloss er dem seltsamen Geräusch zu folgen. Seltsamerweise führte ihn das Geräusch schon sehr bald zu einem riesigen Mais- und Kürbisfeld. Zu seiner Verwunderung musste er feststellen dass abseits des Maisfeldes eine Pflanze mit drei Maiskolben und abseits des Kürbisfeldes eine Kürbispflanze mit drei Kürbissen wuchs. „Das muss Etwas bedeuten.“, dachte er sich, konnte aber nicht im Geringsten erahnen was. Und so ging er ohne Weiteres wieder zurück zu seinem Übernachtungsplatz und schlief ein. Am nächsten Morgen kehrte er zwar wieder ins Dorf, doch war er fest entschlossen, eines Abends wiederzukommen.
In der darauffolgenden Nacht wurde er unsanft vom demselben Geräusch geweckt. Neben ihm stand ein Fremder der ihn tadelte: „Das was Du letzte Nacht gesehen hast, ist heilig und allein deswegen müsstest Du jetzt eigentlich sterben.“ Gleichzeitig kam eine Menschenmenge auf den Jäger zu, die ihn aber nicht umbringen, sondern zurechtweisen wollte: „Deine Angst ist berechtigt, aber nein – wir wollen Dich nicht töten. Wir wollen Dir verzeihen.“ Zum Fremden blickend sagte sie noch:
„Enthüllen wir ihm unser Geheimnis. Sag ihm, Fremder, was es mit dem Mais und dem Kürbis auf sich hat.“ Der Fremde nahm langsam Gestalt an und der Jäger erkannte in ihm einen alten, weisen Medizinmann.
„Mais und Kürbis sind große Medizinen für Wunden.“, erklärte der Weise, „Komm mit, ich will Dir zeigen, wie man sie zubereitet und anwendet.“. Der Jäger folgte dem Mann aus seiner Vision gehörig und sie kamen an einen Platz an dem sie ein Feuer und einen Lorbeerbusch erblickten, der wie Eisen aussah. Um das Feuer schien ein Ritual abgehalten zu werden. Viele Menschen tanzten um es herum und musizierten mit ihren Kürbisrasseln. Bevor der Jäger den Fremden fragen konnte, was das hier zu bedeuten hätte, hielt dieser einen Stock kurz in das Feuer und stieß diesen durch des Jägers rechte Wange. Kurz darauf legte er eine Medizin auf die Wange, die daraufhin vollständig verheilte. Dann wiederholte der Weise die Prozedur stieß aber den Stock diesmal durch das rechte Knie.
Wieder legte er eine Medizin auf und wieder verheilte die Wunder vollständig vor den Augen des Jägers. Und während man ihm die Medizin zeigte, sangen die Menschen ein Lied, welches auch Kraftlied oder Medizin-Gesang genannt wird. Dieses wurde dem Jäger ebenfalls beigebracht. Als die Vision sich ihrem Ende neigte und er die Heimreise antreten wollte, bemerkte er, dass seine Lehrer keine Menschen sondern Tiere waren. Die Menschen und der Weise waren Biber, Bären, Füchse und Wölfe. Nichstdestotrotz befolgte er dankend bei seiner Ankunft ihm Dorf die Anweisungen, die er in seiner Vision erhalten hatte und wurde ein geschätzer Medizinmann.
Er nahm einen Maiskolben, trocknete und zerstampfte ihn. Dann nahm er einen Kürbis, schnitt ihn auf und zerstampfte ihn ebenfalls. Er konnte sich genauestens an die richtige Zubereitung der Medizin erinnern und, dass er das Wasser dafür stromaufwärts, nicht stromabwärts sammeln musste. Als die Medizin fertig war und er sie bei den Menschen im Dorf angewandt hatte, stellte er fest, dass die Medizin genauso wirkte, wie in seiner Vision – sie heilte Wunden im Nu. Viele Jahre lang stellte der Mann diese Medizin her und so sammelte sich mit der Zeit ein großer Vorrat, ein über Jahrhunderte währender Vorrat, an mit dem vielen Menschen geholfen werden konnte. Das war der Ursprung der großen Medizin der Seneca-Indianer. Jedesmal, wenn der Hirsch sein Fellkleid wechselte, machten die Leute die Medizin und sagen Kraftlieder.
Quelle: Ella Elisabeth Clark, Indianische Legenden aus Nordamerika, Diederichs, Januar 1998
Indianische Legenden aus Nordamerika.
Bei den Indianern Nordamerikas spielten die Geschichtenerzähler immer schon eine herausragende Rolle: Sie verbanden die Funktion des Philosophen, des Historikers und des Unterhalters. In den Schöpfungs- und Naturmythen, den Tierfabeln und Legenden verschmelzen persönliche Schilderungen mit historischen Überlieferungen, phantastische und religiöse Elemente mit praktischen. Bei der Lektüre dieses Buches wird die magische Wirkung der Kommunikation um die Lagerfeuer spürbar, werden indianische Kultur und mündliche Erzähltradition lebendig.